Haus hinter der Schiben Nachstehende Ausführungen von Staatsarchivar Dr. Peter Witschi geben Einblick in die Geschichte eines typischen ausserrhodischen Fabrikantenhauses und die soziologische Einordung seiner Eigentümer. Die Ausführungen entsprechen dem Kenntnisstand im Oktober 1998 und sind nicht auf eine Bauuntersuchung abgestützt
Hinter den Schiben früher:
Fabrikanten und Politiker als Eigentümer
Während über zweihundert Jahren war das als bürgerliches Fabrikantenhaus erbaute Gebäude zumeist im Besitz von mit der Textilwirtschaft verbundenen Eigentümern. Unterschiedliche Baubefunde bzw. grundbuchliche Eintragungen verweisen auf entsprechende Nutzungen:
- Erdgeschoss: In der ehemaligen Butik sind Überreste eines Tollofens auszumachen. Gemäss Kaufbrief von 1905 trat der Verkäufer ausdrücklich u. a. "das Kessi im Tholofen" ab. Gemäss Titus Tobler's Sprachschatz von 1837: Tolkessi = Sechtkessi, auch bei Fabrikanten ein grosser Kessel, worin sie Garn sieden.
- Wohnstube: Die an der bemalten Nordwand auszumachenden, senkrecht verlaufenden Reihen von Zapfenlöchern weisen auf eine ehemalige Vorrichtung zum Garnzetteln hin.
- Gemäss Servitutenprotokoll hatte die Liegenschaft auf der Westseite auf dem Boden der Nachbarliegenschaft "das Fieselrecht zum Zwecke des Garntröcknens und Scheiterbeigens".
Im 19. Jahrhundert sind quellenmässig wenigstens zwei Eigentümer als Fabrikanten nachzuweisen: 1842: Leonhard Schläpfer, verheiratet mit Anna Barbara Baumgartner, "Fabrikant" 1873: Johann Ulrich Oertle, verheiratet mit Anna Elisabeth Lindenmann, "Fabrikant"
Im Zeitraum von 1735 bis 1805 befand sich das stattliche Fabrikantenhaus zeitweilig im Besitz nachfolgender Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens:
- 1735: Baumgartner Johannes, Gemeindehauptmann.
- 1740: Hans Caspar Tobler, Engelwirt
- 1778: Sebastian (Baschon) Rechsteiner, Ratsherr.
- 1805: Johannes Schläpfer, Landestatthalter.
Quellenmässig abgestützte Hinweise darauf, dass im Haus zeitweilig eine Wirtschaft betrieben wurde, fehlen. Weder Ulrich Kriemler, noch Johannes Baumgartner oder Sebastian Rechsteiner sind in den obrigkeitlichen Patentprotokollen als Wirte aufgeführt. Ebenfalls keinerlei Hinweise auf einen Wirtschaftsbetrieb enthalten die Assekuranzlagerbücher des 19. Jahrhunderts.
Die Eigentümer des 18. und 19. Jahrhunderts sind dem mittleren Segment der dörflichen Oberschicht zuzuordnen. Als typischer Repräsentant dafür kann Landesstatthalter Johannes Schläpfer gelten. Im Hausrodel von 1818 wird sein Haus unter der alten Nummer 55 als "mittelgross" mit einem Asskuranzwert von 1800 Gulden eingestuft. Gemäss Steuerrodel von 1813 war der Landesstatthalter mit einem. Vermögenssatz von 16'000 Gulden eingeschätzt. Er gehörte damit zur mehrere Dutzend Steuerpflichtige umfassenden Gruppe der Fabrikanten. Im Vergleich dazu weit höher eingestuft waren die örtlichen Kaufleute, so Statthalter Tobler mit 80'000 Gulden. Ebenfalls auf die Lebenswelt der Fabrikanten nimmt die jüngere Ausmalung der Wohnstube im 1. Obergeschoss Bezug, die wohl zwischen 1805 und 1825 erfolgte, also vielleicht im Auftrag von Landesstatthalter Schläpfer entstanden sein könnte.
Wandmalereien
Das Haus Oberdorf 8 wurde 1997 von Vreni und Hans Rüttimann erworben und seither sanft in Stand gestellt. Hauptattraktion sind die Wandmalereien aus dem 19. Jahrhundert in der Stube im 1. Stock. Sie zeigen in idealisierender Weise die feine Art des Lebens gutbürgerlicher Schichten (im Appenzellerland waren dies „Fabrikanten“), entstanden sind die Malereien wahrscheinlich zwischen 1805 und 1825. Neben den Jahreszeiten sind auch Stadt- und Landleben einander in idealisierender Weise gegenüber gestellt. In einigen Zimmern finden sich Überreste von Tapeten.
Das Innere des Hauses Das Erdgeschoss besteht aus drei Räumen: Zwischen den Eingängen mit Vorraum liegt die ehemalige Butik (Werkraum). Im ersten Stock befinden sich eine grosse Gaststube (mit den Wandmalereien) und eine Nebenstube, sowie die Küche. In den oberen Stockwerken verschieden grosse Zimmer. Gaststube und Keller können für kleinere Anlässe gemietet werden.