Rückblick auf Tagung "Baudenkmäler stiften Identität"
21. November 2018 - Benno Schubiger, Kommunikation/Webredaktion Domus Antiqua Helvetica
Am 16. November 2018 führte die Konferenz der Schweizer Denkmalpflegerinnen und Denkmalpfleger KSD in Regensdorf-Watt eine Tagung durch, die den Titel trug "Baudenkmäler stiften Identität und vermitteln Heimat - oder nicht?". Auch eine Delegation von Domus Antiqua Helvetica mit Vereinspräsident Lukas R. Alioth nahm teil. Nachfolgend ein kurzer Bericht zu einer gelungenen Veranstaltung zu einem wichtigen Themenkreis.
Das erste Aha-Erlebnis dieses Tages gab es für mich bereits in der Bahnhofunterführung des Tagungsortes Regensdorf-Watt: Ein Plakat des Technoramas versprach mir «Phänomenale Experimente mit dem eigenen Körper». Diese erlebte ich dann aber tatsächlich auf meinem Weg durch eine Allerwelts-Agglo in das Tagungshotel in austauschbarem Postmodernismus, dem eigentlichen «Clou» des Tages. Dort begrüsste uns der Präsident der organisierenden Konferenz der Schweizer Denkmalpflegerinnen und Denkmalpfleger (Reto Nussbaumer) – «auf historischem Boden und in historischem Gemäuer», wie er sagte. Dieser Witz war dem rustikalen Eichenriemen-Boden und der Recyclingbackstein-Wand des Konferenzsaals geschuldet. Und dieses Fake-Intérieur nahm auf eine gewisse Weise das Resultat der Tagung vorweg: Offensichtlich stiften alte Bauten Vertrautheit und damit Identität und Heimat, sonst würde sie die Kommerz- und Konsumwelt ja nicht imitieren.
Die Referenten unterschiedlicher Disziplinen, die Block-Moderatoren und die Podiumsteilnehmer verknüpften Argumentationsstränge, die am Ende des Tages zum vorhin angetönten Ergebnis hinführten. Der Schriftsteller (Martin R. Dean) zitierte Gottfried Keller, der in seiner Novelle «Kleider machen Leute» und in seinem Roman «Martin Salander» die Wirkung von Architektur und die Veränderungen in einem Stadtbild auf die Menschen thematisiert hatte. Deans Folgerung «Bauwerke haben Einflüsse auf das Innenleben seiner Bewohner» unterschreibt bestimmt auch jedes DAH-Mitglied.
Überhaupt war das eine Tagung merk-würdiger Zitate: schlechter Zitate auf der einen Seite («Silodenken» ortet der Hauseigentümer-Repräsentant Albert Leiser bei der Denkmalpflege; «Denkmalpflege/Heimatschutz sind mental im Reduit» findet der Vertreter der Schweizer Bauentwicklungsbranche Markus Mettler); guter Zitate vonseiten eines institutionellen Immobilieninvestors («In einer sich ständig verändernden Welt braucht es auch Vertrautes» denkt Daniel Brüllmann).
Denkmalpflege und Heimatschutz kamen also zwischendurch gehörig unter Beschuss. Und erst auf dem Schlusspodium konnte der Vertreter des Schweizer Heimatschutz (Adrian Schmid) lapidar die Proportionen zurechtrücken: 1,9 Millionen Gebäude stehen in der Schweiz, und gerade mal 96'000 davon sind denkmalgeschützt. Den ganzen Tag hielt niemand den Immo-Vertretern unter die Nase, dass sie auf sehr hohem Niveau klagen, und dass Netzwerke wie Entwicklung-Schweiz und Bauen-Schweiz ja auf einer Erfolgswelle reiten, wie der verbaute und zersiedelte Stadt- und Landschaftsraum der Schweiz beweist.
Wie Architekten in kreativem Umgang mit Bauvoraussetzungen in historischem Kontext umgehen können und wie Identitätstopoi dem Architekturmarketing zudienen können, zeigten Astrid Staufer und Martin Fröhlich auf (erstere dem Metaphorischen zuneigend, letzterer dem Design). Und der Lokalpolitiker (Max Walter) frappierte mit Informationen über die konstruktive Auseinandersetzung mit der Göhner-Siedlung der 1970er Jahre in seiner Gemeinde Regensdorf-Watt, wobei er zu den Stichwörtern «Identität» und «Heimat» durchaus Überlegenswertes beizutragen hatte.
Ein Fazit dieser Tagung gebe ich Ihnen nicht. Ausser diesem hier: Dass unsere gebaute Umwelt und mithin unser bauliches Kulturerbe mit ihrer Sachwalterin Denkmalpflege zu Vertrautheit führen und damit zu Gefühlen des Heimatlichen, war bei niemandem bestritten – daraus Identität als Bewusstseinsqualität zu schliessen ebenso wenig. Vielleicht liegt Ihnen aber Martin R. Deans Eingeständnis näher: «Orte ohne Spuren der Vergangenheit schlagen mir aufs Gemüt.»