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Interview von Benno Schubiger mit Daniel Gutscher, Präsident der „PräsidentInnen-Konferenz von Publikumsorganisationen in der Bauerbebranche“

12. Oktober 2018

Foto: Béatrice Devènes
Foto: Béatrice Devènes

An der Jahresversammlung von Domus Antiqua Helvetica am 25. August in Solothurn haben unsere Mitglieder erfahren, dass unser Verein in der Präsdentinnenkonferenz vertreten ist. Als erster Präsident dieses Gremiums erläutert Daniel Gutscher unserer Leserschaft die Beschaffenheit dieser Konferenz und deren Zielsetzungen.

DGU: Die Konferenz ist ein "think tank", kein neues Entscheidgremium. Hier treffen sich die Präsidentinnen und Präsidenten der grossen Publikumsgesellschaften zum gebauten Kulturerbe in unserem Land, d.h. Schweizerischer Heimatschutz SHS, Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte GSK, Schweizerischer Burgenverein SBV und Domus Antiqua Helvetica DAH. Gemäss den jeweiligen Strukturen entscheiden nach wie vor die Mitglieder, bzw. deren delegierte Vorstände. Trotzdem schien es uns wichtig, den Informationsfluss und die Zusammenarbeit zu verbessern, ein Gefäss zu haben, in welchem wir uns ungezwungen austauschen, ja auch einmal "nach den Sternen greifen", d.h. Ideen zu Erforschung, Vermittlung und Verteidigung des baulichen Erbes entwickeln können.

DAH: Können Sie uns etwas über die Beweggründe zur Schaffung dieser PräsidentInnenkonferenz sagen und uns deren Entstehungsgeschichte schildern?
DGU: Wir wissen alle: die Publikumsgesellschaften leiden unter einem äusseren und einem inneren Problem. Einerseits bläst uns von der Politik ein zunehmend frostigerer Wind entgegen, anderseits leiden wir alle unter einem mehr oder minder starken Mitgliederschwund. Trotzdem gelten kulturgeschichtliche Stätten beim Publikum als Topanziehungspunkte im Freizeitbereich. Generell sind für Projekte im Kultur- oder Sozialbereich leichter Engagierte zu finden als für permanente Engagements, sei es auf lokaler oder regionaler Ebene von Behörden oder Vereinen. Angesichts dieser Tatsache hat die Sophie und Karl Binding Stiftung 2016 ein Projekt initiiert mit dem Ziel, die Hintergründe dieser Beobachtungen zu erhellen und Massnahmen zur Stärkung des baulichen Erbes in unserem Land zu fördern. Nach einer ersten Phase von Abklärungen zeigte sich rasch, dass wir mit Alliance Patrimoine über ein Instrument der politischen Einflussnahme und mit der NIKE und den Fachverbänden über eines der beruflichen Vernetzung verfügen, jedoch die grossen Publikumsgesellschaften je für sich strampeln. Die neue PräsidentInnenkonferenz ist ein Instrument, um diese Lücke zu füllen. Durch die Bereitschaft von NIKE, das Sekretariat zu führen, ist die Verlinkung zu den anderen Instrumenten gegeben. Das Präsidium wechselt alle zwei Jahre, die Reihenfolge wurde durch das Los bestimmt: SBV, GSK, DAH und SHS.

DAH: Haben Sie erste Projekte, die sie gegenwärtig verfolgen möchten?
DGU: Ja, eines haben wir bereits hinter uns: die koordinierte Stellungnahme gegen die parlamentarische Initiative Eder - sie beabsichtigt die Schwächung der EKD/ENHK und des ISOS - darf als erste "Frucht" angesehen werden. Selbstverständlich haben wir nach der ersten Sitzung seit unserer Gründung am 30. April dieses Jahres noch keine konkreten Projekte, aber einen Strauss von Denkanstössen. Z.B. stellt sich die Frage, ob jede unserer Gesellschaften alle Altersstufen gleichermassen "umwerben" soll. Gibt es nicht niederschwelligeren Zugang für unterschiedliche Alter? Wer wollte als Kind nicht Prinzessin oder Ritter sein? Gibt es heute nicht immer mehr Kulturinteressierte, die sich nicht ausschliesslich für Burgen oder Ruinen oder Schlösser oder Kirchen und Klöster oder Bauernhäuser und Industriedenkmale interessieren, sondern die sich generell für unser bauliches Erbe engagieren? Warum also nicht über eine "Golden Membership Card" nachdenken? Oder eine Grossmutter-Enkel-Mitgliedschaft? Auch bezüglich Mitgliederverwaltung und Publikationen werden wir über Synergien nachdenken.

DAH: Hegen Sie Absichten, den Kreis der Bauerbe-Organisationen, die sich an Ihrer Konferenz beteiligen, zu erweitern?
DGU: Ja. Es fehlt uns zunächst noch die grosse Publikumsgesellschaft, die sich um unser ältestes bauliches Erbe kümmert: "Archäologie Schweiz". Wir sind zuversichtlich, dass wir sie auch ins Boot holen können - grundsätzliche Zustimmung ist bereits erfolgt. Je nach Thema vernetzen wir uns projektweise mit anderen Organisationen, insbesondere von Bildung und Kultur.

 

Dr. phil. Daniel Gutscher ist Kunst- und Architekturhistoriker sowie Mittelalterarchäologe. Bis 2014 war er Leiter der Kantonsarchäologie und Mitglied der Geschäftsleitung des Amts für Kultur des Kantons Bern. Er war Präsident von ICOMOS Schweiz und ist seit 2008 Mitglied der Schweizerischen Kommission für die UNESCO. Domus Antiqua Helvetica befragt Daniel Gutscher in seiner neuen Funktion als erster Präsident der neugeschaffenen „PräsidentInnen-Konferenz von Publikumsorganisationen in der Bauerbebranche".